Der moderne Mensch ist frontlastig
Der moderne Mensch ist frontlastig.
Nein, kein Tippfehler. Kopflastig sind wir zwar auch oft und viel, ja. Aber das meine ich nicht. Ich meine frontlastig. Will heißen: Die Last ist vorne beziehungsweise vorne ist Last, Gewicht.
Wenn ich im Supermarkt die Haltungs- und Bewegungsmuster meiner Mitmenschen beobachte, sehe ich Köpfe, die nach vorne ziehen oder nach vorne-unten hängen. Ich sehe Brustkörbe, die nach vorne-unten fallen, Richtung Bauch. Ganze Oberkörper, die dem Unterkörper voraneilen wollen, nach vorne geneigt „vorangehen“. Und den schiefen Turm von Pisa, den sehe ich oft. Nicht in Pisa, sondern im Supermarkt an der Kasse, an der Bushaltestelle, in der Warteschlange am Check-In-Schalter: Mitmenschen, die dem schiefen Turm alle Ehre machen, indem sie ebenso schräg stehen – die gesamte Vorderseite des Körpers vorgeneigt. Sieht im wahrsten Wortsinn ziemlich schräg aus. J Und macht dem Körper arg zu schaffen.
Wie viele Füße könnten sich vom Hallux Valgus erholen, würden die Vor- und Mittelfüße durch die Begradigung des Turms wieder entlastet? Wie viele Bandscheiben blieben brav am Platz, würden sie nicht durch die hängenden Brustkörbe „in der Kurve“ chronisch gestaucht und eben irgendwann rausgequetscht? Wie viel straffer und schlanker wären all die gestauchten Bäuche, hätten sie ihre volle Länge? Wie viele Menschen könnten sich endlich wieder auf ihre Blase verlassen, wären Blase und Beckenboden entlastet vom Gewicht des hängenden Brustkorbs? Wieviel wiegt eigentlich so ein Brustkorb? Ich weiß es nicht, aber wenn ich mir alleine Meinen so anschaue, vermute ich: Viel! Und das selbst bei meinem kleinen Busen…Apropos Busen: Wie viele Frauen fänden wieder Gefallen an ihrem Dekolleté, wäre der Busen wieder dort, wo er hingehört am aufgerichteten Brustkorb?
Wie viele Schultern könnten wieder genesen, wäre der Brustkorb am richtigen Platz, so dass Arme und Schultern wieder loslassen und frei agieren könnten?
Wie viele…ich könnte noch eine ganze Weile so fortfahren, aber ich glaube, Sie haben schon verstanden, worauf ich hinaus möchte: Kopflastig – meinetwegen. Frontlastig – ohne mich!
Ihre – meist etwas zu kopflastige –
Nataly Leufgen