Plädoyer für die Hüfte
Plädoyer für die Hüfte
Kleinkinder machen es ganz selbstverständlich und intuitiv: Das Hüftgelenk nutzen zum Bücken. Die meisten anderen Menschen in unseren Breitengraden interessanterweise nicht. Irgendwann muss der Mythos aufgekommen sein, dass Bücken eine Sache des Rückens ist. Dass Bücken bedeutet, den Rücken zu krümmen.
Ganz pragmatisch gesehen ist das natürlich auch tatsächlich eine Möglichkeit, dem Boden näher zu kommen. Nur hat die Natur das anders für uns vorgesehen. Ebenso, wie es das Kleinkind macht, dem es bislang ja nur die Natur „souffliert“ hat: Den Rücken pfeilgerade lassen und lediglich den Oberschenkelkopf in der Hüftgelenkspfanne drehen bis zum gewünschten Neigungswinkel. Dann bekommt der Rücken gar nichts davon mit. Was ungemein praktisch ist, da er dadurch von all den Beschwerden verschont bleibt, die ihm beim Bücken durch Rückenkrümmen drohen: Verspannungen, Schmerzen, Hexenschüsse, Bandscheibenvorfälle, Verschleißerscheinungen der Wirbelkörper und Bandscheiben. Auch Füße, Knie und Beckenboden bleiben beim artgerechten Bücken entlastet.
„Ja, aber irgendwann muss ich doch den Rücken krumm machen, wenn ich runter will!“ sagt Frau M.. „Ach so!“ sagt Herr P. strahlend und krümmt den Rücken, während er das Gesäß ein wenig nach hinten schiebt. Frau K. absolviert die Bück-Übungen in der Lektion mit Bravour und berichtet anschließend glücklich, dass es ihrem Rücken so gut geht, wie schon seit langem nicht mehr – alle Schmerzen und Verspannungen seien weg. Sagt’s und krümmt den Rücken, um die am Boden stehende Wasserflasche aufzuheben.
Es sitzt meist tief, sehr tief, das oft jahrzehntelang gelebte und gewohnte Muster des Bückens mit krummem Rücken. Selbst, wenn der Kopf schon verstanden hat, dass eigentlich das Hüftgelenk fürs Bücken zuständig ist, hält sich der Rücken oft noch an das gewohnte krumme Muster. Manchmal ist tatsächlich erst einmal ein Spiegel nötig, der sichtbar macht, dass die Wirbelsäule sich noch rund macht, obwohl der Kopf doch schon das Hüftgelenk zur Hilfe bittet.
Junge Mütter haben es da gut: Sie können einfach den Nachwuchs beim Bücken beobachten, bis sie es wieder genauso leicht und körpergerecht können wie die Kleinen. Allen anderen empfehle ich: Öfters mal die ganz Kleinen auf einem Spielplatz beobachten. Oder die Enkelkinder. Und das Hüftgelenk machen lassen. Das kann das sehr gut. Es wartet nur auf seinen Einsatz. So ganz nebenbei kann man dabei prima den Beckenboden in Topform bringen. Und die rückwärtige Beinmuskulatur inklusive Po. Aber das ist ein anderes Thema…
Ihre bückfreudige
Nataly Leufgen